Donghae
Noch betrunken vom Weihnachtsdekokitsch und den Weihnachtsliedern auf der Fähre, stehe ich an der Reling und schaue mir das Nieselregenwetter von Donghae an. Paol aus Frankreich will mich beruhigen und meint: „Es ist erst 12 Uhr, der Tag kann ja noch besser werden.“ Ein russischer Sporttrupp trägt mir das Gepäck und Fahrrad von Bord. Eine lange Schlange bildet sich am Zollschalter. Die Beamtin ist entzückt von Paulchen. Leider darf ich an der Grenzabfertigung kein Foto machen. Dafür werden meine beiden Zeigefinger abgedrückt und von mir ein Passfoto gemacht. Danach ist der Weg frei. Im Hafengebäude gibt es eine Touristen Information mit Karten von der Gegend, die Möglichkeit Geld zu tauschen, natürlich schnelles und freies Internet, saubere Toiletten mit Musik und kostenlos Trinkwasser zum Flasche auffüllen. Ich bekomme noch zwei Hinweise wo ich Campingplätze finde. Let´s go ins 4. größte Fahrradherstellerland der Welt. Den Radweg entlang der Ostküste zum Mangsang Beach.
Südkoreaner sind freundlich, neugierig, hilfsbereit und nett
Ich habe Glück, es scheint tatsächlich die Sonne und überall gibt es gut ausgeschilderte Fahrradwege. Ich mache einen kurzen Abstecher ins Stadtzentrum. Schiebe mein Fahrrad an den vielen Outdoorläden und Trimm-Dich-Fit Pfaden vorbei, entdecke eine französische Bäckerei, koste eine Kleinigkeit im Schnellrestaurant, bis mir vor Schärfe die Tränen laufen, finde einen Supermarkt und kaufe, weil ich keine Lust auf weitere Kostversuche habe, ein paar mir bekannte Dinge ein: Spaghetti, Haferflocken, geräucherten Käse, Wurst, Toastbrot, Spritzringe für insgesamt 18 Euro.Die zwei Zeitzonen zurück machen sich bemerkbar. Um 18 Uhr ist es bereits dunkel. Ich finde den Campingplatz, zahle für die Nacht 10 Euro und baue mein Zelt im Dunkeln auf. Am nächsten Tag erkunde ich die Gegend. Der Strand ist herrlich. Baden ist bereits verboten, weil durch den Herbststurm die Brandung zu gefährlich ist. An jeder Ecke findet man Evakuierungsschilder im Falle eines Tsunamis. Gleich nebenan gibt es das Convention Medical Spa. Die Sauna kostet 5 Euro und das Schwimmbad (50 m) inklusive Sauna open end 15 Euro. Was im Vergleich zu Russland, wo eine Stunde schwimmen 5 Euro kosten, recht günstig ist für das sonst so teure Land.
Für mich wird ein Toilettengang im Café zum Abenteuer. Bei angenehmer beheizter Klobrille konnte man Wasserdruck und –temperatur wählen, mit der einem der Hintern gespült wird und beim Fön im Anschluss ebenfalls die Windstärke und die Temperatur. Nur spülen muss man noch selbst…Es ist Wochenende und da füllt sich langsam der Campingplatz mit Einheimischen, die mit Sack und Pack zum Zelten (oder besser Wohnzelten mit Inneneinrichtung) + Grillen anreisen. Ich merke es außerdem am Preis: die Nacht am Wochenende kostet 15 Euro, egal welche Größe das Zelt hat ;-( und wie viele Personen darin wohnen.
Die Kinder interessieren sich für Paulchen. Der kleinste von dreien ist sein bester Freund geworden. Dieser möchte ihn nicht wieder her geben. Nur unter lautstarken Protest und einer Runde Eis am Stil für alle (inklusive mir) von der Mutter, gibt er ihn wieder her.Die Südkoreaner haben eine Vorliebe für Knaller und Raketen. Es gibt sie überall am Strand zu kaufen und werden fleißig konsumiert. Auf dem Weg zurück ins Stadtzentrum geht es vorbei am Frischfischmarkt im Hafen, wo man sein Essen frisch kaufen und im Restaurant gleich verspeisen kann.
Ein Bankautomat ist schnell gefunden und der erste Test bestanden! Weiter geht es zum Mountain Valley. Überall falle ich mit meinem Rad und Gepäck auf. Autos halten an und fahren ihre getönten Scheiben runter. Wer Englisch kann, spricht mich an. Die Fragen sind immer: Woher? Wohin? Wie alt? Allein? Ein junger Mann auf dem Fahrradweg fragt nach dem Wohin und führt mich direkt zum Campingplatz. Außerdem erhalte ich noch den Tipp, ich solle den „East Coast Road Way“ nach Busan fahren. Damit sich Touristen in Südkorea richtig wohl fühlen, gibt es sogar eine Internetseite, die keine Fragen offen lässt: http://german.visitkorea.or.kr/ger/index.kto
Welcome in Südkorea
Man nehme die neuesten und besten Outdoor Trekking Klamotten, Goretexschuhe, weiße Handschuhe, Trekkingstöcke, eine große Sonnenblende, einen Schwitzschal im Nacken (natürlich in passender Farbe), das neueste Samsung Modell + Teleskophalterung zum Berichten an die Daheimgebliebenen oder fürs wandern mit Musik aus den Lautsprechern, Walkie-Talkie, alle Freunde und natürlich einen großen Picknickkorb mit und reiht sich in die wanderfreudigen Massen ein. Leider ist mir so ein perfektes Exemplar nicht vor die Linse gelaufen „grins“. Aber es fühlte sich an wie Sonntag Nachmittag bei schönem Wetter zum Stadtfest auf der Basteibrücke flanieren und zum Amselsee schlendern. Eins war wirklich wie zu Hause: die Kinder spielen beim Wandern „Schnick-Schnack-Schnuck“ (nur ohne Brunnen). Wer gewonnen hat, darf ein paar Schritte nach vorne rücken. So macht wandern natürlich viel mehr Spaß 😉
Zurück auf Anfang
Eigentlich wollte ich anschließend zwei Tage Tempel Stay testen. Die Wolken am Himmel luden nicht gerade zum Fahrrad fahren ein. Aber nach drei Festivaltagen haben die Mönche erst einmal eine Woche Urlaub! So bleibt mir also nichts weiter übrig, als in voller Goremontur die Ostküste entlang zu ziehen. Nach der dritten Biegung hörte meine Detailkarte auf. Keine Ahnung was mich jetzt erwartet. Die Küste ist dicht besiedelt und jeder Millimeter Erde wird bepflanzt. Die Wegweiser führen immer in Richtung Autobahn, da darf ich aber auf keinen Fall hin! und die Dunkelheit kommt ziemlich schnell. So weit das Auge reicht, halte ich leider vergeblich Ausschau nach einem Unterschlupf. An einem Aussichtspunkt mit überdachter Sitzgelegenheit halte ich an und denke: ‚Hier könnte ich bleiben‘. Die Nacht war gruselig. Bis früh morgens um vier Uhr kamen Leute vorbei, um aufs Meer zu blicken oder ein Streifenwagen, um nach dem Rechten zu sehen oder das Militär, um die Grenze zu sichern. Gegen Morgen fing es an mit Schütten und der Wind kam waagerecht. So verkroch ich mich unter den Pavillon. Was auch nicht viel nutzte. Es wurde alles, aber auch alles pitsche, patsche nass Im nächsten Ort gab es wieder ein Office und eine neue Detailkarte. Ich fragte nach einem Hotel. Die Gästehäuser haben leider schon geschlossen. Das nächste Hotel gibt es in 30 Kilometern. Also immer weiter dem Sturm und Regen entgegen. Eine Stunde später entdeckte ich ein „Pension“ Schild. Die gute Frau sprach zum Glück Englisch. Bei einer heißen Tasse Kaffee schilderte ich ihr meine Lage. Sie schlug mir vor, mit dem Taxi zurück zu fahren und die Schlechtwetterzeit in einem Jjimjilbang zu verbringen. Gesagt, getan. Sie hat alles organisiert und so landete ich kurzerhand wieder dort, wo ich herkam.
Jjimjilbangs sind Spa-Tempel die meist auf einer natürlichen heißen Quelle errichtet wurden. Ich sorgte bei Ankunft erst einmal für Verwirrung, bis eine Lösung für das Fahrrad und viele Gepäck gefunden wurde. Ich checkte für 6,50 Euro von 12.30 Uhr bis 2.30 Uhr ein. Alles was ich danach länger bleibe, kostet 0,70 Euro die Stunde. Bekam Handtücher, einen kurzen braunen Anzug für die Freizeit, einen Schrank und Chipnr. für alle weiteren Konsumierungen. Meine Kleidung konnte ich zum Trocknen abgeben. Dann ging es nach vier Tagen endlich mal wieder unter die Dusche! Im Spa Bereich sind Frauen und Männer getrennt. Es ist ein riesen großer Raum mit Duschen, verschieden heiße Saunen, Whirlpools, Wasserbecken und einen Bereich für das Styling nach dem Besuch. Alle Körperpflegemittel inkl. Zahnpasta sind gratis.
In einer anderen Etage befinden sich dann Restaurant, Rastbereiche mit Fernsehern und verschiedene Themenräume mit unterschiedlichen Temperaturen von 45 bis 85°C. Zum Schlafen nimmt man sich eine Matte und sucht sich ein Plätzchen. Entweder im ganz großen Raum oder einem kleineren. Wasser und Kaffee stehen kostenfrei zur Verfügung. Jjimjilbangs sind 24 Stunden durchgehend geöffnet. Die preiswerteste und angenehmste Art der Übernachtung in ganz Südkorea.
Liebe Heike,
es ist schön, deine Reiseberichte zu lesen und so deine Erlebnisse miterleben zu können. Du bist einfach unglaublich!!!!!! WAS FÜR EINE REISE! Und was für ein Durchhaltevermögen. Ich verbeuge mich vor Dir! Ehrlich! Du bist der Hammer.
Pass weiterhin gut auf Dich auf! Fühl dich herzlich von mir gedrückt.
Gaaanz viele liebe Grüße
Gabi
Hallo liebe Gabi,
das freut mich sehr, dass es dir so gut gefällt, meine Berichte zu lesen.
Aber mal ehrlich – so schlimm ist das Reisen gar nicht!
Wenn man einmal los gezogen ist, läuft es wie von alleine und wird zum Alltag.
Man muss nur sehr gut mit sich alleine klar kommen können. Am besten man ist mit sich im „Reinen“ und sollte offen und neugierig für seine Umwelt sein. Das deutsche Denken ablegen können. Als Intimsphäre habe ich ja mein Zelt mit oder kann mich in ein Hotelzimmer verkriechen. Für die „Talfahrten“ meiner Reise habe ich Filme gegen Heimweh mit und bin ja immer mit dem Internet mit meinen lieben daheim verbunden. Also ohne Laptop geht heut zu tage gar nichts mehr 😉 Dann freue ich mich natürlich immer über eMails und Kommentare. Das gibt mir das Gefühl, nicht alleine zu sein. In meinem Herzen seid ihr alle bei mir. Viele liebe Grüße
Heike