Die Vertreibung aus dem Paradies

Typisch Deutsch

Am Strand vom Ypsylon Hotel freunde ich mich mit Karin und Dieter aus Berlin, Regina aus Thüringen und Helga aus Baden Württemberg an. Sie sind hier zum Tauchen oder Sonnenanbeten. Gemeinsam beobachten wir all die anderen deutschen Gäste und amüsieren uns köstlich zum Beispiel über die zeitige Belegung der Liegen. Morgens um 4:30 Uhr bereits beginnt das große Run auf die zu knapp bemessenen Strandliegen. Mit Taschenlampe und Handtuch bewaffnet ziehen die Frühaufsteher los, um diese zu belegen. Wodurch es natürlich zu einem Kampf mit den Spätzündern kommt. Ich bin froh, meine Isomatte dabei zu haben und bei diesem Spielchen nicht mitmachen zu müssen. Oder ein Pärchen aus Bayern hat Schwimmnudeln dabei und reitet durch die Wellen vom Meer. Was bei diesem „Ausritt“ nicht fehlen darf, ist natürlich die farblich abgestimmte Badekappe passend zur Nudel. Sehr witzig finden wir auch eine Frau, die mit Papiertütchen auf der Nase gegen Sonnenbrand herum läuft. 😉

Geschichten am Strandesrand

Am späten Nachmittag genieße ich des öfteren Beach Volleyball am Strand vom Indischen Ozean mit den Schokoladen braunen einheimischen Jungs. Ich habe richtig Spaß beim Spielen und muss viel lachen. Am Zaun vor dem anderen Hotel lungern die Beachboys herum. Einer ruft mir zu: „Eh du bist wohl eine Lustigfrau?“ Mit Regina und Helga sitze ich am Strand in Sasha´s Beachbar mit einem Cocktail in der Hand. Wir beobachten die Beachboy´s pfeifen ihnen hinter her und machen uns lustig über sie. Wir tauschen uns Geschichten über Männer aus und lassen es uns gut gehen. Einfach herrlich dieses Leben!

Never change a running system

Ich packe meine Sachen für ein paar Tage, lagere die anderen ein und ziehe los die Westküste entlang in Richtung Süden. Kurz vorm Losfahren wollte ich meinen Sattel höher stellen, da zerbrach die Schraube vom Feststellring an der Sattelstütze :-( Mit einer Ersatzschraube repariert fuhr ich los. Beim Fahren rutschte mir der Sattel jedoch immer tiefer. Es ging nicht mehr fester zu ziehen! Unterwegs fand ich jedoch eine Fahrradwerkstatt und die beiden Jungs vom Laden haben mir kostenlos eine „Stopp Schelle“ in den Schaft der Sattelstütze gebaut. Der eine zeigte mir stolz sein italienisches Rennrad (für umgerechnet 700 EUR) und wir fachsimpelten ein bisschen. Obwohl ich dank Ayurveda etwas weniger wiege, ging durch diese Hitze die Sattelstütze in die Knie. Rad fahren in Sri Lanka

Andere Länder, andere Sitten und andere Natur

Zur Schönheit der Frauen in Sri Lanka gehören lange Haare. Wer kurze Haare hat, hat etwas angestellt, denn sie werden nur zur Strafe abgeschnitten. Karin aus Berlin hat ganz kurze Haare. Sie wurde gefragt, was sie denn verbrochen habe, dass sie so kurze Haare hat? Eines Abends sitzen wir zusammen beim Cocktail am Strand und lauschen den Erzählungen von Sunil, einem Einheimischen der Deutsch spricht. Er hat einen Verwandten der bei der Kriminalpolizei arbeitet und erzählt, mit welchen Foltermethoden Geständnisse erzwungen werden: Mit heißen Nadeln an Füßen und am Kopf oder in einem Raum mit extremen Gewürzen eingesperrt sein, den Täter mit Chilli einreiben und gefesselt in die Sonne stellen. Er erzählt auch, mit welchen Methoden die Bevölkerung „Selbstjustiz“ ergreift. Von anspucken bis Steine schmeißen oder sogar ermorden ist alles vertreten. lange Haare

Ein traditionelles Kleidungsstück hier ist der „Sarong“. Einfach um die Hüften geschwungen, zugeknotet und schon ist man ausgehfertig. Nüchtern betrachtet ist der Sarong nicht mehr als ein langes Stück Stoff, das um die Hüften gewickelt und vorwiegend von Männern getragen wird. Nach traditionellem Regelwerk gewickelt reicht der Sarong bis zu den Füßen. Doch die Mode erlaubt auch die bis zu den Knien reichende Kurzversion, die für mehr Bewegungsfreiheit sorgt. Das Wickelgewand ist in Asien weit verbreitet, insbesondere in Sri Lanka wird er tagtäglich getragen. Wer jedoch etwas auf sich hält, trägt ihn nur noch in der Freizeit oder im Bett zum Schlafen. Das Tragen eines Sarongs auf der Straße ist inzwischen ein Zeichen von Armut.

Ich liege im Viharamahadevi Park in Colombo und beobachte die Flughunde. Am  Tag hängen sie in den Bäumen ab und abends schwärzen sie den Himmel der Stadt. Am Strand beobachte ich des öfteren Weißkopfseeadler, die ihre Kreise über dem indischen Ozean ziehen. Ich bin im tropischen Paradies.

Adam´s Peak (2.243 m)

Zum Rad fahren an der Küste ist es mir viel zu heiß bzw. nur auszuhalten mit feuchten Turban und Kühlarmlinge. Ich reise zum Abkühlen in die Berge. Jedoch nicht zum Rad fahren. Ich möchte zum 2.243 Meter hohen Adam´s Peak pilgern. Begleitet werde ich von Shyarman, dem Ayurveda Arzt vom Ypsylon Spa. Er war wie ich noch niemals oben. Nach buddhistisch-singhalesischem Glauben sollte jeder gute Buddhist diesen Berg zumindest einmal im Leben bestiegen haben. Der Berg ist eine Pilgerstätte für Buddhisten, Hindus, Muslime und Christen. Auf dem Gipfel steht ein bewohntes Kloster, in dem sich ein 1,8 Meter langer Fußabdruck „Sri Pada“ befindet, der von Buddhisten als der Fußabdruck des Buddha verehrt wird. Hindus sehen den Fußabdruck als den von Gott Shiva an. Muslime sehen darin den Fußabdruck von Adam, Christen den des Apostel Thomas.  Adam´s Peak

So radel ich die 52 Kilometer zu seinem Haus in der Nähe von Colombo, beziehe das Gästezimmer und werde von seinem Vater, Onkel und ihm gut versorgt. Am Abend spielen wir Dame. Hier in Sri Lanka spielen sie mit rückwärts springen. Ich vergess das öfters und verliere mehrere Partien gegen seinen Onkel. Den nächsten Tag brechen wir gegen 13 Uhr mit dem Bus und leichtem Gepäck zu unserer Tour auf. Unterwegs haben wir uns einen Wasserfall angesehen und um 17 Uhr steigen wir in den Pilgerweg ein. Wir haben den längsten Anstieg von 16 Kilometern gewählt. Am Einstieg kaufe ich mir noch eine Taschenlampe und Plastiktüte für den Rucksack, weil ich beides vergessen habe und es regnet. Dann begann die Nachtwanderung. Ich bin auf Zeitreise und fühle mich zurück versetzt nach Nepal.

Unterwegs gibt es viele Blechhütten zum Ausruhen. Es gibt kostenloses Essen und Kaffee oder auch Tee zu kaufen, es wird getrommelt oder sich am Lagerfeuer gewärmt. Zur Vollmondnacht sind sehr viele Pilgerer unterwegs. Der nächste Tag ist ein nationaler Feiertag „Independence“ – Tag der Unabhängigkeit. Viele nutzen daher den freien Tag. Die nächtliche Wanderung im tropischen Regenwald ist warm und regnerisch und wird begleitet von wilden Urwaldgeräuschen. Leider schlafen Blutegel nie. Einer hat mich dann doch mit seinen scharfen Calcitzähnen erwischt, was ich sofort gemerkt habe – autsch.

Dreimal habe ich eine Stunde mit den Einheimischen auf dem Fußboden in den Blechhütten geschlafen und mich geärgert, meine Isomatte nicht dabei zu haben. Die Beleuchtung zum Adam´s Peak ist schon zu sehen. Aber auch Tonnen von Müll entlang des Weges. Irgend wann kann hier keiner mehr hoch gehen. Um 7 Uhr morgens war ich oben am Tempel und musste noch 2 Stunden auf den Doktor warten. Ihm fiel das Hochgehen besonders schwer. Da tausende Leute, Familien mit Kindern und Kleinkindern (geschätzte 20 bis 30.000) unterwegs waren, dauerte es noch mehrere Stunden, bis wir endlich im Tempel drin sind. Alle drängen in den Tempel hinein.  Mütter stillen derweil beim Warten ihre Babys. Ich denke dabei immer wieder an die Massenpanik der Love parade 2010 in Duisburg, wo viele erdrückt wurden. So fühlt es sich also an, wenn hunderte Menschen drängen und schieben. Irgend wann bin ich an der Reihe und kann dem Fußabdruck meine Ehre erweisen.

Abgestiegen sind wir den kurzen Weg von nur 7 Kilometern, 1.400 Höhenmetern und 5000 Stufen. Da hatte ich dann so meine Probleme mit Knien, Waden und Oberschenkeln :-( Auf dem Weg hinab macht ein Einheimischer ein Porträtfoto von mir. Ich frage, ob ich es sehen könnte und sage zu ihm, dass es mindestens 1.000 Rupien wert ist. Wir müssen beide lachen und er klatscht mit seiner Hand gegen meine. Give me five.

Ich frage mich, warum man sich das Pilgern antut? Erst quält man sich 14 – 16 Stunden hinauf und dann 4 Stunden wieder runter. Und alles nur für einen Fußabdruck von Adam. Den er wahrscheinlich schnell mal hinterlassen hat, als er aus dem Paradies vertrieben wurde und über die Adam´s Bridge nach Indien flüchtete. Am Ende des Weges gibt es Ayurveda Kosmetik zum Kaufen und eine kostenlose Fußmassage von den Anbietern, die wir gerne in Anspruch nehmen. Um 17 Uhr waren wir endlich am Bus. Geschlafen haben wir in Nuwara Eliya was wir dann 21 Uhr erreicht haben. Shyarman ist im Ministerium für Öffentlichkeitsarbeit angestellt und hat ein Doppelzimmer Appartement für nur 5 Euro die Nacht von der Regierung bestellt. Im 1900 Meter hoch gelegenen Ort der Insel war es ziemlich kalt. Zum Glück gab es heißes Wasser (was sonst nicht üblich ist) und warme Decken. Der Adam´s Peak – eine Pilgertour sondergleichen liegt hinter uns und der Muskelkater meines Lebens nun vor mir :-(

Nicht nur das Land, die Menschen und die Natur sind exotisch, sondern vor allem auch die Sprache. Hier die Vertreibung aus dem Paradies auf Singhalesisch:

පැරඩයිස් සිට පළවා හැරීම